BVG Referendum: ein Nein gegen diese Scheinreform


    Im Fokus der KMU Wirtschaft


    (Bild: zVg) Hans-Ulrich Bigler

    Am 22. September stimmen wir über die Reform der Beruflichen Vorsorge BVG ab. SP und Gewerkschaften haben dagegen das Referendum ergriffen, die bürgerlichen Parteien unterstützen die Vorlage. Erste Umfragen lassen bei einem Nein-Anteil von knapp 60 Prozent auf ein Scheitern schliessen. Auf den ersten Blick könnte man dem Irrtum unterliegen, es handle sich im Sozialversicherungsbereich einmal mehr um eine klassische Links-Rechts Debatte. Allerdings gibt es gute Gründe, auch aus bürgerlicher Warte ein NEIN gegen diese Scheinreform in die Urne zu legen.

    Rentenversprechen nicht mehr eingehalten
    Beginnen wir mit der Ausgangslage. Unbestritten ist, dass bisher eine verdeckte Umverteilung von Jung zu Rentnern stattgefunden hat. Auf Grund der steigenden Lebenserwartung und den gesunkenen Renditen an den Finanzmärkten kann nicht mehr im notwendigen Umfang Kapital für die Pension aufgebaut werden. Die Rentenversprechen können nicht mehr eingehalten werden. Da die Renten lebenslang garantiert sind, müssen die Pensionskassen diese Verluste decken, fliesst Geld von den Jungen zu den Alten. Wie später aufzuzeigen ist, ist dieses Argument heute aber zu relativieren.
    Bei einem Alterskapital von 100’000 Franken resultiert heute bei einem Umwandlungssatz von 6.8 Prozent eine Altersrente von 6’800 Franken. Dieser Satz soll nun auf 6 Prozent bzw. auf eine Rente von 6’000 Franken gesenkt werden. Das gilt allerdings nur für den obligatorischen Bereich mit einem Jahreseinkommen zwischen 22’000 und 88’000 Franken. Betroffen sind weniger als zwanzig Prozent der Arbeitnehmenden. Alle anderen haben heute bereits seit langem tiefere Umwandlungssätze von rund fünf Prozent. Selbst für diese Minderheit verfehlt indessen die BVG-Reform das angestrebte Ziel, die Umverteilung zu stoppen, deutlich. Das Gegenteil ist der Fall, es wird mehr und nicht weniger umverteilt.

    Unerwünschte Fehlanreize
    Die zweite Säule basiert auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Was die Versicherten an Lohnbeiträgen einzahlen, beziehen sie später als Rente. Leider setzt die Reform aber unerwünschte Fehlanreize. So sollen die letzten fünfzehn Jahrgänge vor der Pensionierung Rentenzuschläge erhalten, um ihr Leistungsniveau zu halten. Dabei erhalten einige einen Zuschlag, der höher ist als ihr Rentenverlust. Bei anderen hingegen reicht der Zuschlag nicht aus, um die Rentenverluste zu decken.
    Viele Versicherte sind zudem in Pensionskassen, die längst Massnahmen ergriffen und den Umwandlungssatz nach unten angepasst haben. Diese Vorleistungen und namentlich auch die Stabilität der Pensionskassen werden nicht berücksichtigt, verteilt wird Geld nach dem Giesskannenprinzip.
    Die Befürworter weisen im Gegenzug darauf hin, dass vorallem Frauen in Teilzeit und mit geringem Jahreseinkommen profitieren würden. Einerseits eben durch diese Rentenzuschläge und andererseits durch die Senkung der Eintrittsschwelle auf 20’000 Franken. Den Gewerkschaften ist Recht zu geben, dass dies in dieser allgemeinen Form nicht stimmt.
    Gerade bei Pensionskassen, die nahe des BVG-Obligatoriums versichern, präsentiert sich die Situation sehr unterschiedlich. Frauen werden hier teilweise mehr einbezahlen müssen, ohne dass sich die Rente im Alter – wenn überhaupt – substantiell erhöhen wird. Wer es aber genau wissen möchte, muss sich bei seiner Kasse individuell erkundigen. Es gibt Gewinnerinnen und Verliererinnen.

    Kompliziert und unnötig
    Damit zeigt sich, dass der gewählte Weg viel zu kompliziert ist und das Kosten-Nutzen Verhältnis nicht aufgeht. Die zusätzlichen Beiträge in die berufliche Vorsorge dienen in den ersten Jahren vorwiegend der Finanzierung der Übergangsgeneration. Diese Quersubventionierung führt aufgrund ihrer Komplexität zu zusätzlichen Verwaltungskosten, ohne dass dadurch höhere Leistungen im Alter garantiert würden.
    Aufhorchen lässt schliesslich die Oberaufsicht BVG des Bundes, die feststellt, dass in den letzten drei Jahren per saldo keine nennenswerte Umverteilung zwischen Jung und Alt mehr feststellbar sei. Ein höheres Zinsniveau und ansteigende Anlageerträge haben die überhöhten Umwandlungssätze kompensiert. Der frühere Preisüberwacher, Ruedi Strahm, liegt deshalb mit seiner Aussage richtig, dass aus diesem Blickwinkel eine Reform unnötig ist.
    Das Ziel, den Umwandlungssatz auf ein versicherungstechnisch angemesseneres Niveau zu bringen, erfordert einfachere und effektivere Massnahmen. Anstelle der unnötig komplizierten Kompensationen hätte das Parlament zum Beispiel eine gestaffelte Senkung des Umwandlungssatzes beschliessen können. Die aktuelle Vorlage schwächt insgesamt die berufliche Vorsorge (2. Säule) und etabliert die systemfremde Umverteilung durch ungerechte Rentenzuschläge. Deshalb ist diese verunglückte BVG-Scheinreform abzulehnen.

    Hans-Ulrich Bigler,
    alt Nationalrat,
    Affoltern am Albis

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