70 Jahre nach der Gründung ist die Rega aus dem Schweizer Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken und pro Tag helfen Rega-Crews, 34 Patientinnen und Patienten – in der Schweiz und weltweit. Karin Hörhager, Leiterin Kommunikation und Gönner sowie Mitglied der Geschäftsleitung, über die grossartige Unterstützung der Gönnerinnen und Gönner, die Verbundenheit zwischen der Rega und der Bevölkerung, schwierige Rettungsaktionen und modernste Technologien.
Die Rega feiert ihren 70. Geburtstag. Gegründet wurde sie vom Arzt Rudolf Bucher am 27. April 1952. Welches sind die wichtigste Meilenstein in der Entwicklung der Rega?
Karin Hörhager: Im Rückblick ist die «Erfindung» der Gönnerschaft Mitte im Jahr 1966 der grösste Meilenstein. Die grossartige Unterstützung unserer mehr als 3,6 Millionen Gönnerinnen und Gönner hält die Rega in der Luft und erlaubt uns, das Wohl der Patienten ins Zentrum unseres Tuns zu stellen. Entstanden ist die Idee aus einer Notsituation: Weil der Rettungsflugwacht das Geld ausging, wandte sie sich mit der Bitte um Unterstützung an den Bundesrat. Dieser lehnte ab, worauf die Rettungsflugwacht die Bevölkerung zur Spende aufrief. Als Dank dafür wurden den Gönnern allfällige Einsatzkosten erlassen. Das System der Gönnerschaft, wie es im Prinzip heute noch besteht, war geboren.
Wie wird dieser runde Geburtstag gefeiert?
Wir möchten den Geburtstag zusammen mit der Schweizer Bevölkerung feiern und als Dank für die Unterstützung etwas zurückgeben. Aus diesem Grund laden wir an verschiedenen Tagen der offenen Tür sowie kleineren Anlässen zu einem Blick hinter die Kulissen der Rega ein. Darüber, wann und wo diese Anlässe stattfinden, informieren wir laufend auf unserer Webseite unter www.rega.ch/70jahre.
Was macht die Faszination der Rega aus?
Die Rega erfüllt eine dankbare Aufgabe: Als gemeinnützige Stiftung hilft sie Menschen in Not und rettet so Leben. Sie tut dies mit modernsten Rettungshelikoptern und Ambulanzjets. Unsere rotweissen Helikopter sind täglich am Himmel zu sehen und faszinieren Gross und Klein. Ein anderer Grund ist wohl die Verbundenheit zwischen der Rega und der Bevölkerung: Die Gönnerinnen und Gönner wissen, dass sie mit ihrem Beitrag dafür sorgen, dass wir Menschen in Notsituationen helfen können.
Die Schweizerische Rettungsflugwacht ist im Jahr 2021 18’000 Mal ausgedrückt. Auf was führen Sie diesen Rekordwert zurück?
Ganz allgemein schwanken unsere Einsatzzahlen und hängen unter anderem von Wetterbedingungen und vom Freizeit- sowie Reiseverhalten der Schweizer Bevölkerung ab. Im letzten Jahr waren zum Beispiel unsere Ambulanzjets, die Patienten aus aller Welt zurück in ihre Heimat fliegen, wieder häufiger in der Luft als im Vorjahr. Dies deshalb, weil die Reisetätigkeit der Schweizer Bevölkerung im Vergleich zum ersten Pandemiejahr wieder zugenommen hat. In der Schweiz flogen insbesondere die Helikopter-Crews der Gebirgsbasen mehr Einsätze als im Vorjahr – ein Grund dafür war, dass mehr Menschen in den Bergen unterwegs waren. Zugenommen haben auch die Verlegungsflüge, bei denen wir Patienten von kleineren Spitälern in Zentrumsspitäler geflogen haben. Für uns steht aber nicht die Anzahl der Einsätze im Zentrum: Es geht uns darum, bereit zu sein, wenn es uns braucht. 70 Jahre nach der Gründung ist die Rega aus dem Schweizer Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken und täglich helfen wir 34 Patientinnen und Patienten.
Was sind die häufigsten Einsätze der Rega?
Viele Menschen assoziieren die Rega mit Rettungsaktionen in den Bergen für verunfallte Wintersportler oder Wanderer. Fast die Hälfte der mehr als 11’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr fliegen wir aber aufgrund einer akuten Erkrankung, also beispielsweise nach einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall.
Was war bis heute die schwierigste Rettungsaktion?
Es gibt bei Helikopter-Einsätzen ganz unterschiedliche Arten von Herausforderungen und jeder Einsatz ist wieder anders. Besonders herausfordernd sind aber Einsätze bei schlechtem Wetter oder in der Nacht. Als «Königsdisziplin» gelten Einsätze mit der Rettungswinde in der Nacht, weil es dann viel schwieriger ist, Distanzen einzuschätzen. Hierfür trainieren die Rega-Crews regelmässig.
Welche Rolle spielen die Ambulanzjets?
Die drei Ambulanzjets der Rega sind zwar weniger bekannt als die Rettungshelikopter, aber nicht minder wichtig. Dank ihnen können wir auch schwerstkranke Patientinnen und Patienten aus der ganzen Welt zurück in die Schweiz fliegen – sie bilden die «Brücke in die Heimat». Die erste Repatriierung führte die Rega bereits im Jahr 1960 durch – mit einem privaten Flugzeug, dass sie für diesen Einsatz ausleihen konnte. Heute verfügt die Rega über drei eigene Ambulanzjets, die nach unseren Vorgaben ausgestattet sind. An Bord dieser «fliegenden Intensivstationen» bringen die Rega-Crews pro Jahr rund 1000 Patientinnen und Patienten zurück in ihre Heimat.
Wie funktioniert heute die Hilfe im Ausland?
Wer ein medizinisches Problem im Ausland hat, soll nicht zögern und die internationale Alarmnummer der Rega +41 333 333 333 wählen. Wir haben vielfältige Möglichkeiten, um zu helfen. Eine davon ist die telefonische Beratung. Wenn also jemand in Bangkok ist und aufgrund eines akuten Problems ein Spital aufsuchen muss, aber unsicher ist, in welches der unzähligen Spitäler er gehen soll, können wir mit unserer Erfahrung telefonisch weiterhelfen. Wir führen nämlich eine eigene, weltweite Spitaldatenbank. Kehren unsere Crews von einem Einsatz aus einem Spital im Ausland zurück, aktualisieren sie die Informationen zum Spital in der Datenbank. Sprechen die Ärzte gut Englisch? Wie hoch ist der Hygienestandard, wie gut die medizinische Ausrüstung?
Und wenn die telefonische Beratung nicht ausreicht?
Liegt jemand im Ausland im Spital und benötigt die Hilfe der Rega, so verschaffen sich unsere Beratungsärztinnen und -ärzte aus der Ferne ein möglichst genaues Bild über den Gesundheitszustand des Patienten. Dafür sprechen sie mit den behandelnden Ärzten und schauen sich beispielsweise Röntgenbilder oder Laborbefunde an. Dann entscheiden sie, welches die beste Lösung für den Patienten ist und die Einsatzleiterinnen und -leiter organisieren falls notwendig die Repatriierung in die Heimat. Diese kann mit einem der drei Rega-Jets oder begleitet vom medizinischen Fachpersonal der Rega an Bord eines Linienflugzeugs erfolgen.
Vor kurzem hat die Rega ein neues Einsatzmittel, die Rega-Drohne, vorgestellt. Wann und wie kommt diese zum Einsatz?
Eine der Kernkompetenzen der Rega ist die Suche zur Rettung. Pro Jahr werden die Helikopter-Crews rund 160 Mal aufgeboten, weil eine Person vermisst wird. Das kann zum Beispiel eine Wanderin sein, die am Abend nicht zurückkehrt. Bleibt ein Suchflug der nächstgelegenen Einsatzbasis ohne Erfolg, so kann die Rega einen Suchhelikopter einsetzen, der rund um die Uhr bereitsteht und mit einer hochsensiblen Wärmebildkamera sowie einem Mobilfunkdetektor ausgerüstet ist. Es gibt aber Wetterbedingungen, die den Flug eines Helikopters verhindern. In solchen Fällen bietet die Rega die bodengebundenen Bergretter des Schweizer Alpen-Club SAC auf und als ergänzendes Einsatzmittel die Rega-Drohne. Diese Eigenentwicklung ist quasi die «Mini-Version» des Suchhelikopters und kann ohne eine Crew zu gefährden auch bei widrigem Wetter selbständig ein Suchgebiet abfliegen. Mittels Mobilfunkdetektor kann sie auch in Gebieten ohne Mobilfunkabdeckung ein Handy eines Vermissten orten. Das Projekt zeigt, dass die Rega auch heute noch nach innovativen Lösungen sucht, wie sie noch mehr Menschen in Not helfen kann.
Was sind die grössten Vorteile der Rega-App?
Je genauer wir wissen, wo sich ein Patient befindet, desto rascher können unsere Crews am Einsatzort eintreffen. In einer Notsituation haben aber viele Menschen Mühe, unseren Einsatzleiterinnen den genauen Standort zu beschreiben. Mit der Alarmierung via Rega-App wird der Standort des Alarmierenden direkt in unsere Einsatzzentrale übermittelt und auf einer Karte angezeigt. Die Koordinaten kann die Einsatzleiterin dann direkt ans Navigationsgerät der aufgebotenen Helikopter-Crew senden. So sparen wir im Notfall wichtige Zeit. Dieses Prinzip hat sich seit der Einführung vor mehr als 10 Jahren in tausenden von Einsätzen bewährt und die Rega-App hat schon viele Leben gerettet.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Rega?
Ich wünsche mir, dass die Rega ihren «Pioniergeist» bewahrt. Damit wir mit der Unterstützung unserer Gönnerinnen und Gönner die Luftrettung auch in Zukunft weiterentwickeln können, um Menschen in Not helfen zu können.
Interview: Corinne Remund